Kann die Möglichkeit der Geltendmachung eines Pflichtteilanspruches Bestandteil eines Nachlasses sein? Und falls das so sein sollte: Ist der Testamentsvollstrecker in jedem Fall verpflichtet diesen Anspruch geltend zu machen?
Ausgangspunkt
Der Frage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Erblasser hatte in seinem Testament eine Testamentsvollstreckung angeordnet. Bei der Prüfung des Nachlasses wurde festgestellt, dass der Erblasser Pflichtteilberechtigter eines mehrere Jahre zuvor verstorbenen Verwandten war, der diesen enterbt hatte. In der Folge wollte der Testamentsvollstrecker (selbst auch testamentarischer Erbe, also mit nicht unerheblichem Eigeninteresse) diesen Pflichtteil gegenüber den Erben des zuvor verstorbenen Verwandten geltend machen. Dafür machte er gerichtlich einen entsprechenden Auskunftsanspruch geltend, welcher ihm durch das Landgericht auch zugesprochen wurde. Die Revision der Erben beim Oberlandesgericht scheiterte.
Auch mit dem weitere Versuch der Abwehr beim BGH scheiterten die Erben des ursprünglichen Erblassers (Urteil vom 05.11.2014, Az. IV ZR 104/14). Mit ihrer Argumentation, dass nur der Erbe selbst zur Geltendmachung berechtigt wäre, da es sich um ein höchstpersönliches Recht handele, konnten sie nicht durchdringen. Vielmehr stellte der BGH klar, dass das Recht zur Geltendmachung Teil des Nachlasses wurde, da der Pflichtteilanspruch bereits per Gesetz vererblich (und übertragbar) ist; § 2317 Abs. 2 BGB.
Analyse
Es spricht nunmehr viel dafür, dass der Testamentsvolltrecker nicht nur berechtigt, sondern vielmehr zur Geltendmachung verpflichtet ist, da er sich ansonsten gegenüber den Erben „seines“ Erblassers schadenersatzpflichtig machen würde. So führt der BGH unter anderem aus: „…Dieser (der Testamentsvollstrecker) hat den Anspruch sodann infolge seiner Stellung als Vertreter des Erblassers und Inhaber eines privaten Amtes, nicht dagegen als Vertreter des Erblassers oder (gar) der Erben, geltend zu machen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen.“ Aus diesem Satz könnte eine Pflicht zur Geltendmachung gelesen werden.
In der Praxis entscheidet meines Erachtens wie so oft der Einzelfall. Denn primäre Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist die Ausführung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers, nicht die vollumfängliche Interessenvertretung der Erben, wie bereits der BGH zutreffend feststellt.
Insoweit hat der Testamentsvollstrecker sein Augenmerk darauf zu richten zu analysieren aus welchen Gründen der Erblasser selbst bisher von einer Geltendmachung abgesehen hat. Was war sein (letzter) Wille in Bezug auf genau diesen Pflichtteilanspruch. War die Nichtgeltendmachung eine bewusste Entscheidung des Erblassers, so hat der Testamentsvollstrecker – und in der Folge auch die Erben – diese Entscheidung zu akzeptieren.
Dafür sprach im oben genannte Sachverhalt einiges, da sich der Erblasser über einen längeren Zeitraum hinweg allenfalls analog eines Stillhalteabkommens geäußert hatte. Insbesondere in Fällen, in denen der Erblasser explizit auf die Geltendmachung des Pflichtteils verzichtet hat, sollte die Analyse zu einem anderen Ergebnis kommen können. Falls in diesem Fall nicht bereits vor dem Entstehung des Nachlasses vom Erlöschen des Anspruchs ausgegangen werden kann.
Im Ergebnis ist unumstritten, dass der Pflichtteilsanspruch im oben beschriebene Sachverhalt Teil des Nachlasses geworden ist. Die Frage der Pflicht zur Geltendmachung obliegt hingegen der Prüfung im Einzelfall ist meines Erachtens keinesfalls obligatorisch.